BGH, URTEIL vom 3.11.2012,
Az. VIII ZR 307/11
39 Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zu der Vorgängerregelung des § 175 ZPO entschieden, dass hiergegen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, auch wenn § 339 Abs. 2 ZPO nicht zur Anwendung kommt, weil es sich bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post um eine Inlandszustellung handelt (BVerfG, NJW 1997, 1772; BGH, Urteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97, aaO unter II 1 b; aA Roth, IPrax 1990, 90 ff.; zu § 339 Abs. 2 ZPO zudem Senatsurteil vom 24. September 1986 - VIII ZR 320/85, BGHZ 98, 263, 266 f.; BGH, Beschluss vom 13. November 2001 - VI ZB 9/01, aaO).
BGH, vom 1.6.2000,
Az. II ZB 20/99
Damit ist jedoch kein genereller Ausschluß der Wiedereinsetzungsvorschriften verbunden; vielmehr wendet der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den Fällen der Versäumung von Notfristen, die aus Zustellungen gemäß §175 ZPO resultieren, Wiedereinsetzungsrecht an (BGH, Urt. v. 10. November 1998 aaO S. 1192 m.w.N.; vgl. dazu auch BVerfG aaO S. 1772).
BGH, vom 1.6.2000,
Az. II ZB 20/99
Führt die Fiktion des § 175 ZPO im Extremfall dazu, daß beim tatsächlichen Zugang des Urteils die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen ist oder erhält der Empfänger - wie hier -bis zu dem Fristablauf wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhaupt keine Kenntnis vom Erlaß des Urteils, so wird eine wesentliche Aufgabe der Zustellung, dem Empfänger rechtliches Gehör zu verschaffen und ein faires Verfahren zu gewährleisten (BVerfG NJW 1988, 2361), verfehlt.
BGH, vom 1.6.2000,
Az. II ZB 20/99
Mit dem im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens ist es nach Ansicht des Senats unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach § 175 ZPO als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhaupt nicht erhält, den Rechtsbehelf des Einspruchs endgültig abzuschneiden, und zwar allein deshalb, weil sie den Zustellungsbevollmächtigten nicht bestellt hat (BGH, Beschl. v. 4. Dezember 1991 - IV ZB 4/91, NJW 1992, 1701, 1702; BVerfG aaO S. 1772).
BGH, URTEIL vom 2.10.1998,
Az. VI ZR 243/97
12 b) Die Zustellung durch Aufgabe zur Post gemäß § 175 Abs. 1 ZPO stellt nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung (BVerfG NJW 1997, 1772; BGHZ 98, 263, 266; BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 - IV ZB 4/91 -, NJW 1992, 1701, 1702) und Literatur (vgl. etwa Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO,
BGH, URTEIL vom 2.10.1998,
Az. VI ZR 243/97
27 1772; BGHZ 98, 263, 267; BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 -IV ZB 4/91 - NJW 1992, 1701, 1702) und Literatur (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO, § 175 Rn 5; von Feldmann, aaO, § 175 RdNr. 2; Zöller/Stöber, aaO, § 175 Rn 2 und 6) bei der Zustellung von Versäumnisurteilen im Verfahren nach § 175 Abs. 1 ZPO bislang auch nur § 339 Abs. 1 ZPO an.
BGH, URTEIL vom 2.10.1998,
Az. VI ZR 243/97
Anders als bei einem im Ausland tätigen Rechtsanwalt, von dem die Kenntnis des komplizierten deutschen Fristenwesens nicht unbedingt erwartet werden kann (vgl. BGH, Beschluß vom 2. März 1988 - IV b ZB 10/88 - FamRZ 1988, 827, 828), würde die in M.ansässigen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten sogar eine etwaige Unkenntnis der besonderen Zustellungsfiktion des § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht entlasten.
BGH, URTEIL vom 3.11.1986,
Az. IVb ZR 4/86
Ihr ist zuzugeben, daß wegen der schwerwiegenden Fiktion des § 175 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (die Zustellung gilt bereits an dem Tage der Aufgabe zur Post als bewirkt) die gesetzlichen Förmlichkeiten streng einzuhalten sind, wozu gehört, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gemäß § 213 ZPO in den Akten vermerkt, zu welcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe zur Post geschehen ist (vgl. etwa BGHZ 73, 388, 390 m.w.N.).
BGH, URTEIL vom 3.11.1986,
Az. IVb ZR 4/86
Sie mußten daher im Interesse ihres Mandanten den sichersten Weg gehen und vorsorglich so handeln, als habe die Berufungsfrist aufgrund des § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO bereits am 14. September 1984 zu laufen begonnen (vgl. dazu etwa BGH, Beschluß vom 12. März 1985 - VI ZB 21/84 -VersR 1985, 574).